Wenzel Eusebius (* 30.1.1609,
gest. 22. April 1677)
Die Tradition des böhmischen Adelsgeschlechts der
Lobkowitzer reicht weit in die Vergangenheit zurück. Viele von ihnen
bekleideten hohe Ämter beim König von Böhmen und auch der Habsburger
Monarchie. Die wichtigste Position aber nahm Wenzel Eusebius ein. Er
diente am Wiener Hof und stieg gar zum Ersten Geheimen Rat, zum
Stellvertreter des Kaisers, auf.
Wenzel Eusebius wurde am 30. Januar 1609 geboren. Er sollte zu den
mächtigsten Positionen aufsteigen, die je ein Lobkowitzer erreicht hatte.
Als einziger Sohn von Zdenko Adalbert und Polyxena erhielt Wenzel Eusebius
eine sehr gute Erziehung, lernte spanisch und italienisch und reiste viel
in Europa umher. Der künftige Herrscher des Hauses Lobkowitz wurde bei
seiner Mutter in Prag unter Aufsicht eines deutschen Lehrers erzogen,
studierte bei den Jesuiten Latein und Philosophie und setzte später seine
Ausbildung an der Prager Universität fort. Das Talent des Kindes kann man
auch daran erkennen, dass er mit 10 Jahren ein lateinisches Gedicht zu
Ehren des Bischofs Graf Kolowrat schrieb.
1627 besuchte er in Italien seine Verwandten, die Gonzagas, und beim Tod
seines Vaters hielt sich der 19jährige in den Niederlanden auf. Wenzel
Eusebius wurde für großjährig erklärt und zum königlichen Kämmerer
ernannt. Bereits 1630 ging er wieder auf Reisen. Er besuchte die
Niederlande, Deutschland und auch den englischen König Carl I. In dieser
Zeit verwaltete seine Mutter Polyxena den großen Familienbesitz, unter
ihm auch die Herrschaft Sternstein – Neustadt. Schlechte Nachrichten vom
Einfall der Sachsen in Böhmen zwangen ihn, in seine Heimat
zurückzukehren. Nach seiner Rückkehr 1631 erwarb er sich ein
Offizierspatent stellte auf seinem Gut Holleschau in Mähren ein eigenes
Regiment zusammen, das er der Wallensteinschen Armee zuführte. Erst im
Jahr 1637 übernahm Wenzel Eusebius selbst die Verwaltung seiner Güter.
Während des 30jährigen Krieges diente er unter Wallenstein und führte
erfolgreiche Feldzüge. 1639 befreite er Prag und wurde so populär, dass
die Studenten ihm zu Ehren ein Schauspiel aufführten. Aufgrund seiner
Erfolge und seines großen diplomatischen Geschicks wurde er vom Oberst,
über den Generalfeldmarschall und Hofkriegsrat bis hinauf zum
Präsidenten des Hofkriegsrates im Jahre 1652 befördert. Am
österreichischen Kaiserhof in Wien schätzte man seine zahlreichen
Verbindungen und er arbeitete sich zu einem bedeutenden Ratgeber des
Kaisers empor.
Unter Kaiser Leopold I. stieg Wenzel Eusebius zum Ersten Geheimen Rat und
Stellvertreter des Kaisers auf. Der Kaiser vertraute dem böhmischen
Adelsmann mit seinen unverrückbaren Vorsätzen und seiner Loyalität.
Langwierige Verhandlungen beim Reichstag brachten 1641 endlich das
Ergebnis, dass die Herrschaft Neustadt - Sternstein zur gefürsteten
Grafschaft erhoben wird. Am 30.6.1653 erhält Wenzel Eusebius von
Lobkowitz mit seinem Neustädter Besitz Sitz und Stimme im Deutschen
Reichsfürsten-Rat. Die Zugehörigkeit zu Böhmen fiel damit weg und
Neustadt wird eine selbständige, reichsunmittelbare Reichstandschaft in
Bayern.
1646 verkaufte Kaiser Ferdinand II. das schlesische Herzogtum Sagan,
welches früher Wallenstein gehörte, mit allen Rechten dem Fürsten
Lobkowitz, womit er gleichzeitig den Herzogtitel errang.
In seiner hohen Position am Kaiserhof in Wien hatte Wenzel Eusebius
natürlich auch sehr viele Neider und Gegenspieler. Intriegen aus
Machtgier wurden gegen ihn geschmiedet und 1674 wurde er vom Hofe in Wien
nach Raudnitz verwiesen. Dort starb er auch 1677.
Viele alte Bücher und Beschreibungen des Inventars von Raudnitz sprechen
von unermesslichen Kunstschätzen die in den Räumen des Schlosses
gesammelt wurden. Hier nur einige Auszüge: Bibliothek mit 50.000 Bänden
(“eine der reichhaltigsten und bestgeordneten in Böhmen für die
Geschichte des 16. und 17. Jahrhunderts”, “eine der größten alten
Büchersammlungen Alt-Böhmens”), Evangeliar aus dem 10. Jahrhundert,
bedeutende Sammlung von Musikinstrumenten (Amati, Stradivari,
Steinergeigen, besonderer Stolz: Steiner-Baßgeige), Gemäldesammlung mit
Werken von Canaletto, Rubens, Lucas Cranach, Titian, Albrecht Dürer,
Hanns Holbein, van Dyck, Rembrandt. Diese kurze Aufzählung lässt auf ein
wahres Museum von wirklich unschätzbarem Wert schließen, das sich Fürst
Wenzel Eusebius zusammengetragen hatte.
Fürst Wenzel Eusebius von Lobkowitz war zweimal verheiratet. Schon 1631,
zur Zeit als er in Belgien war, wollte ihn sein ehemaliger Erzieher
Bärnclau mit einer ältlichen Witwe Kolowrat verheiraten. Jedoch war
Wenzel Eusebius dazu gar nicht geneigt und wies das Anerbieten zurück.
Wenige Jahre später lernte er eine andere Witwe kennen: Johanna, geborene
Myska von Zlunitz, früher vermählt mit dem böhmischen Edelmann Felix
Pietipeski von Chisch und Egerberg. Er verliebte sich und heiratete sie in
Prag am 3. November 1638.
Seine Mutter hatte es bei Hofe durchgesetzt, dass die Witwe noch vor der
Hochzeit zur Gräfin ernannt wurde. Sie war jung, hübsch und eine reiche
Erbin, besaß Geld und Gut, und brachte namentlich einen großen Reichtum
an Silber, Edelsteinen, Bildern und kunstreichen Gefäßen mit. Ihren
Gemahl liebte sie zärtlich, obwohl er meist von ihr entfernt war. Johanna
Lobkowitz starb bald nach dem Westfälischen Frieden am 17. Juni 1650. Sie
hinterließ keine Kinder und setzte ihren Gemahl zum Erben ein.
Für die Herrschaft Neustadt – Sternstein ist die zweite Ehe von Wenzel
Eusebius mit Augusta Sophie, Pfalzgräfin von Sulzbach, im Jahre 1653 sehr
wichtig. Der 30jährige Krieg endete 1648, doch waren die beiden Lager,
katholisch und evangelisch, noch lange nicht ausgesöhnt. Doch warum
heiratete nun der am Wiener Kaiserhof tätige Wenzel Eusebius, katholisch
und kaisertreu, ergeben und immer zu Diensten der Habsburger, eine
Evangelische? In der heutigen Zeit keine Sensation - doch vor 300 Jahren
musste diese Heirat andere, staatspolitische Gründe gehabt haben.
Augusta Sophie stammte nicht nur aus einem evangelischen Elternhaus,
sondern wurde noch dazu am Hofe des schwedischen Königs Gustav Adolf
erzogen. Er war schließlich der große Gegenspieler der katholischen
Seite. Und nun heiratete der Stellvertreter des Kaisers diese Frau. Es
müssen staatspolitische Überlegungen eine Rolle gespielt haben und
vielleicht wollte der Kaiser mit der Heirat von Wenzel Eusebius mit
Augusta Sophie auch ein Zeichen der Versöhnung setzen.
Die Ehefrau von Wenzel Eusebius wählte als Wohnort Neustadt an der
Waldnaab. Zum einen war sie dadurch nicht weit von ihrer Familie entfernt
und außerdem musste sie nicht in die Dienste am Hofe der Kaiserin in Wien
treten. Augusta Sophie blieb ihrem protestantischen Glauben immer treu.
Sie richtete sich eine kleine Kapelle im Haus neben dem “Alten Schloss”
ein und wurde durch einen evangelischen Geistlichen aus Floß
seelsorgerisch betreut. Für den katholischen Geistlichen in Neustadt
stickte sie sogar Messgewänder.
Natürlich versuchte ihr Gatte sie vom “rechten Glauben” zu
überzeugen. Dabei wurden gar Jesuiten nach Neustadt geschickt, um die
Fürstin umzustimmen. Doch Augusta Sophie blieb dem evangelischen Glauben
treu und erzog ihre vier Kinder nach dem Willen ihres Gatten katholisch.
Aufgrund der hohen politischen Ämter weilte Wenzel Eusebius sehr oft in
Wien und Prag. Nur selten kam er nach Neustadt um nach dem Rechten zu
sehen. Deshalb wurde Augusta Sophie zur eigentlichen Regentin von Neustadt
und Waldthurn. 1673 übergab ihr Wenzel Eusebius auch offiziell die
Regierungsgeschäfte. Nach dem Tod ihres Gatten 1677 blieb sie noch einige
Jahre in Neustadt, zog dann nach Nürnberg und verstarb dort 1682.
Aus der Ehe mit Augusta Sophie gingen vier Kinder hervor, die alle in
Neustadt geboren wurden: Ferdinand August Leopold, geb. 7.9.1655, Philipp
Friedrich Albrecht, getauft 17.9.1656, Maria Hedwig Sophia, getauft
2.5.1658 und Franz Wilhelm Ignaz, getauft September 1659.
Nachfolger von Wenzel Eusebius wurde sein Sohn Ferdinand August Leopold,
geboren am 7. September 1655 in Neustadt. Er entschloss sich für einen
Schlossneubau in Neustadt, der auch 1698 begann. Leider zog sich im Jahre
1707 die fürstliche Familie aus Neustadt auf ihre böhmischen Güter
zurück. Der Neubau ging nur langsam voran und am Ende wurde nur ein
Flügel von den geplanten drei fertig gestellt. Ferdinand Leopold August
verstarb 1715 in Raudnitz und sein Sohn Phillip Hyacinth trat die
Nachfolge an.
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