Lebenslauf von Oswald Hafner

Entnommen aus „Vermischte Gedichte von Oswald Hafner“
herausgegeben 1984 von Heinrich Ascherl - Stadt Neustadt a.d Waldnaab

In dem Haus an der Fröschaustraße, links am Fuß der Treppe, die vom Pfarrhof herunterführt, lebte der Drechsler Anton Hafner, der Großvater des Dichters Oswald Hafner. Ihm war kein glückliches Leben beschieden. Er kam auf die Gant und musste sein Haus verlassen. Er wohnte dann in einem Haus im Doktorhof. Sein Sohn Joseph Hafner, geboren 1785, der Vater des Heimatdichters, war von Beruf auch Drechsler und konnte das elterliche Anwesen aus der Gantmasse wieder erwerben. Er heiratete die 1787 geborene Walburga Bayerl aus Altenstadt. Aus dieser Ehe ging nur ein Kind hervor, der am 21. Oktober 1806 getaufte Oswald Adam Hafner.
Wie schon seine Vorfahren, hat er die Güter dieser Welt nicht genießen dürfen, sein Leben verlief in Unglück und Armut. Im Alter von zwei Jahren verlor er durch einen Unfall das linke Auge. Als er 2 1/2 Jahre alt war, starb seine Mutter am 30. April 1809 an der damals noch weit verbreiteten Lungensucht, erst 22 Jahre alt. Fast genau an seinem 7. Geburtstag, am 24. Oktober 1813, starb auch sein Vater, ebenfalls an der Lungensucht. Das hilflose Kind kam dann auf Kosten der Stadt in Pflege zu der Witwe Scharnagel, in der Freihung wohnend. Es ist unter diesen Verhältnissen verständlich, wenn Oswald Hafner sobald als möglich sich sein Brot selbst verdienen musste. An eine gediegene Schulausbildung war nicht zu denken. Wie aus seiner Selbstbiographie hervorgeht, besuchte er nicht einmal ein ganzes Jahr die Schule. Offenbar hat aber diese kurze Zeit genügt, dass er das Schreiben und Lesen erlernte. Noch als Knabe kam er zum Dorf hirten nach Buch bei Parkstein. Dort hat er nach eigenen Angaben manches Buch gelesen, wenn er bei seiner Herde war. Die Bücher hat er offenbar vom Pfarrer in Neustadt bekommen, der sich auch später nochmals um Hafner annahm. Es folgten dann mehrere Jahre als Knecht bei einem Bauern und als Arbeiter in einer Ziegelei. Er musste diese Arbeit aufgeben, er erkrankte, wie er selbst schreibt “die Brust erfüllte grauses Bangen“; sicher hatte er Angst, an der Todesursache seiner Eltern erkrankt zu sein. Dazu kam noch, dass das rechte Auge ein trüber Schein umflorte: Hafner kam in ein Krankenhaus nach Nürnberg; Wohltäter bezahlten offenbar den Krankenhausaufenthalt, weil es ein Gedicht gibt, in welchem er seinen Wohltätern nach wiederhergestellter Gesundheit überschwenglich dankt. Dann begab er sich für vier Jahre nach Ingolstadt, wo er Schanzarbeit am Festungsbau leistete. Es kann sein, dass er während dieser vier Jahre auch am Bau des Ludwig-Donau-Main-Kanals arbeitete, welcher ja nicht allzuweit von Ingolstadt bei Berching und Beilngries zur damaligen Zeit gebaut wurde. Er widmete dem Kanal ein begeistertes Gedicht. Man möchte meinen, Hafner habe damals vorausgesehen, dass der Bau und die Diskussionen um diesen Kanal bis in unsere heutige Zeit noch nicht zu Ende gegangen sind, denn sein Gedicht schließt mit den Worten: „unsterblicher Kanal!“
Im Alter von 20 Jahren, im Jahre 1826, kehrte Oswald Hafner nach Neustadt zurück. Der Pfarrer, der ihm immer Bücher für ein Selbststudium gegeben hatte, und auch die Lehrer und die Stadt nahmen sich des talentierten jungen Mannes an und verschafften ihm eine Lehrpraktikanten stelle in Kohlberg. (Diese Tätigkeit musste damals als praktische Übung der Aufnahme ins Lehrerseminar voraus gehen).
Nach zwei Jahren Lehrpraktikantentätigkeit hatte Hafner schon so viele Gedichte geschrieben, dass er auf Anraten „geehrter und einsichtvoller Männer“ es wagte, ein Werkchen, betitelt „Vermischte Gedichte“ herauszugeben. Die ses Bändchen mit 23 Gedichten wurde gedruckt von der J. E. von Seidel‘schen Offizin in Sulzbach, 1828. (Von dem Büchlein konnten nur noch 2 Exemplare entdeckt werden: eines in der Bayer. Staatsbibliothek in München und eines in der Union Theologica Seminary-Library in New York).
Begreiflicherweise hat Hafner den Gedichtband Herrn Friedrich Holzhey, Pfarrer und Dirigent eines Schul-Präparanden-Instituts und einer Fortbildungsanstalt, gewidmet, um günstige Voraussetzungen für seine weitere Lauf bahn als Lehrer zu schaffen. Aber auch der Gedichtband nützte nichts. Die Regierung von Bayreuth (der jetzige Landkreis Neustadt gehörte damals großenteils zum Obermainkreis) lehnte Hafners Aufnahme ins Lehrerseminar mit Schreiben vom 18. 2. 1828 ab mit der Begründung, dass ihm ein Auge fehle, er nicht genügend musikalisch sei und Reime allein zu machen nicht genüge. Er möge sich einem anderen Erwerbszweig zuwenden. Enttäuscht und entmutigt suchte Hafner in der Ferne Arbeit, kam aber auf seiner Wanderschaft nur bis Landshut, wo er wegen Herumvagierens verhaftet und nach Neustadt abgeschoben wurde. Die Stadt hatte gerade keine andere Arbeit für ihn als Steine klopfen beim Straßenbau nach Floß und Püchersreuth. Inzwischen war seine Tante, Margareta Hafner, bei der er noch eine Art Zuhause fand, geisteskrank geworden. Die Wohnung wurde ihm bei 3 Hirten der Stadt zugewiesen, wo er bei jedem jeweils ein Vierteljahr zubringen durfte. Pro Haufen Steine erhielt er vier Kreuzer Lohn. Der Rat der Stadt machte ihm Vorwürfe, dass er in seiner Jugend keine ordentliche Profession erlernt habe.
Hafner war nicht von robuster Gesundheit, so dass Steine klopfen ihm zu beschwerlich war. Dazu kamen die dauernden Vor würfe der Stadt, was ihn bewog, wieder auswärts Arbeit zu suchen. Man griff ihn wegen neuerlichen Vagierens auf, brachte ihn erneut nach Neustadt zurück und der Landrichter Frh. v. Lichtenstern sperrte ihn — offenbar in völliger Verkennung der Tatsachen — drei Tage in Arrest und beauftragte die Stadt für Hafner zu sorgen mit den Worten: „Und weil dieser Mensch gefährlich werden dürfte, bekommt die Gemeinde den strikten Auftrag, für angemessene Herberge und Beschäftigung zu sorgen“. Hafner wollte aber das ärmliche und beschwerliche Leben in Neustadt nicht wieder aufnehmen, er wanderte der böhmischen Grenze zu und hatte den unmittelbar hinter der Grenze liegenden Ort Goldbach als Ziel gewählt. Aber wiederum wurde er wegen Vagierens nach Neustadt zurückgebracht. Diesmal erhielt er 6 Tage Arrest. Während dieser zurück liegenden Jahre konnte seine Dichtkunst keine Blüten treiben, die Not war zu groß, man verekelte ihm geradezu das Leben.
Etwas besser wurde es am 17. März 1829. Die Gemeinde Ilsenbach nahm den 23 jährigen Jüngling Oswald Hafner zur Verrichtung der Tag- und Nachtwache auf. 8 Jahre lang, bis 1837, hatte Hafner diesen Wachposten inne.
Die Ruhe der Wachstunden war für Hafner die richtige Atmosphäre zum Dichten. Er berichtet selbst darüber in einem Prosastück „Nachtwache“, aus welchem leider nur ein kleiner Absatz erhalten ist:
„Die Einsamkeit der Nachtwache ist mir die tief verborgene Friedensinsel; fern vom Strudel des Weltgesummes kann da mein in sich gekehrter Geist seine Bestimmung schärfer ins Auge fassen, Freundlich dämmert dann seinem Blicke das ferne Küstenland verhüllter Ewigkeit im endlosen Meer des Aethers entgegen — und heiliger Schauer umweht ihn bei dem Gedanken, dass er sich einst in jenes lichtumflossene Eiland aufschwingen werde.“
Hafner zog es aber immer wieder in seine Heimatstadt Neustadt zurück. Warum er 1837 von Ilsenbach nach Neustadt ging, ist nicht bekannt. Vermutlich fand er in Neustadt wieder keine Arbeit, denn ein zweites mal versuchte er die Wanderung nach Goldbach in Böhmen, dies mal gelang es ihm, dort anzukommen. 10 Jahre lang, von 1838 bis 1848, war er in Goldbach als Gärtner tätig. Diese Zeit scheint die glücklichste seines Lebens gewesen zu sein. Seine sonst ernsten, manchmal fast düsteren Gedichte, häufig religiösen Inhalts, mit dem Ausblick auf Tod und Jenseits, nehmen in Goldbach etwas froheren Charakter an. Er beschreibt in seinen Gedichten die Blumenpracht, die Jahreszeiten, sein Gartenland.

„Senke Flora Deine Flügel
Auf mein Gartenland herab,
Lichte diesen Farbenspiegel,
Weil‘ an jedem Blumenstab!“

Aus der Goldbacher Zeit stammt des Dichters größtes Werk „Die Glasmacherkunst“. (In Goldbach war ja damals eine Glashütte). Hafner schildert in diesem Werk, so wie Schiller in der Glocke den Glockenguß, die Herstellung des Glases und ficht zwischen die einzelnen Strophen immer allgemeine Betrachtungen und Gedanken philosophischer und religiöser Art ein. Das Werk ist heute leider nicht mehr auffindbar.
Wahrscheinlich wäre Hafner in Goldbach sein Leben lang geblieben, wenn ihn nicht die Unruhen der Revolution des Jahres 1848 in die friedlichere Heimat nach Neustadt zurück getrieben hätten.

„Es ward in mir das Heimweh wach,
Als in dem Jahre Achtundvierzig
Fast ringsum der Krawall ausbrach.
Zur stillen Heimat kehrt ich wieder,
Wo noch des Friedens Ölzweig lag.“

Wie und wovon Hafner die nächsten vier Jahre in Neustadt lebte, ist nicht bekannt, vermutlich gar nicht gut, denn im Jahre 1852 schreibt er an den Rat der Stadt in bitterster Not: „Ich schmachte schon 2 Tage ohne einen Bissen Brot, ich finde nirgends Arbeit und jemanden anzusprechen (zu betteln) getraue ich mich nicht. Haben doch Wölfe und Tiger Mitleid, warum nicht Menschen?“ Die Stadt Neustadt stellte ihn dann als Freihungswächter an.
Die Unterschrift Oswald Hafners unter das Verpflichtungsprotokoll als Nachtwächter in Neustadt-Freihung vom 23. Dezember 1852.
Nach einem Dreivierteljahr kündigte er aber diese Stelle, weil die Entlohnung so niedrig war, dass er damit nicht ein mal den allernotwendigsten Lebensunterhalt bestreiten konnte. Man findet ihn dann kurze Zeit in Arbeit beim Tafernwirt Anton Weiß in Neustadt, dann geht er wieder nach Ilsenbach, vermutlich als Hirte oder Wächter. Dort pflegte er 200 Blumenstöcke, eine Reminiscenz an seine Zeit als Gärtner in Goldbach. Sein Dichterleben blühte wieder auf. Man ermunterte ihn, seine Gedichte nochmals drucken zu lassen. Es entstand ein Gedichtband „Blüthenfeld entfalteter Lieder und poetische Versuche“ bei der Mader‘schen Buchdruckerei in Weiden. Das Büchlein wurde im Weidener Bezirksamtsblatt vom 18. August 1858 für 12 Kreuzer angeboten. Leider ist heute kein Exemplar mehr zu finden. Im Jahr 1911 muß das Werk noch existiert haben, denn Emanuel Reichenberger nimmt in einem Artikel in der „Oberpfalz“ darauf Bezug. Vermutlich lag das Büchlein und auch die Handschriften Hafners bei den Feuerwehrakten. Die Feuerwehr hatte zu Hafner gute Beziehun gen und hat seinen Nachlass bewahrt. Vielleicht hat Büchlein und Akte jemand ausgeliehen und vergessen, es zurückzugeben.
Bei der siegreichen Beendigung des Krieges 1870/71 dichtete Hafner eine Huldigung an Kaiser Wilhelm 1. Er erhielt da für 70 Gulden als Geschenk, für einen armen Menschen in der damaligen Zeit viel Geld. Er hatte aber seine Tätigkeit in Ilsenbach, wo er neben den Wachgeschäften auch Stroh hüte fertigte, aufgegeben, wie er selbst schreibt „bei dem Altern meiner Kräfte, da mein Auge ziemlich schwach“. Als das Geld bei der Stadt Neustadt ankam, war Hafner aber wieder für längere Zeit nicht in Neustadt und unbekannten Aufenthalts. So sandte die Stadt Neustadt die 70 Gulden als unzustellbar zurück. Hafner war eben vom Un glück verfolgt.
Im Jahre 1875 kehrte er wieder nach Neustadt zurück und erhielt 1877 aus der Spitalstiftung, welche damals über 12 Pfründe verfügte, eine halbe Pfründe. So hatte er doch im Alter einen zwar bescheidenen, aber doch gesicherten Lebensunterhalt. Nunmehr schon 71 Jahre alt, verfasste er meist Heimat gebundene Gedichte (z. B. „Das Bergbild von Neustadt“ oder „Max Piccolomini‘s Tod“). Wahrscheinlich war es ihm als Spitalpfründner auch vergönnt, einmal ein Pfeifchen zu rauchen und ein Glas Wein zu trinken, denn es entstanden Gedichte, wie: „Die Tabakspfeife“ und „An den Rheinwein“. Oswald Hafner schrieb bis zu seinem Tode. Seine letzten Werke sind die Gedichte „Deine Hand, o Herr der Erde, misst mir meine Monde zu“ und „An das Grab“. Am 28. August 1882 starb er, 76 Jahre alt, im Neustädter Spital.
Hafner ist im Neustädter Friedhof beerdigt. Feuerwehrleute trugen ihn zu Grabe, denn zeitlebens waren Feuerwehrleute seine Freunde. In der Feuerwehrchronik ist ein getragen: ‚ denn die meisten von uns haben schon vor etlichen Jahren versprochen, denselben zu Grabe zu begleiten, denn Oswald Hafner ist uns unersetzlich. Er war ein Dichter durch und durch und wird derselbe in späteren Jahren, wie es jedem seiner Collegen passierte, in der Welt erst hervorgehoben werden.“ Stadtpfarrer Pöllmann hielt die Leichenrede und bemerkte in der Sterbematrikel „Dichter ohne Schulbildung. Sein Werk 1858 in Weiden gedruckt, gibt Zeugnis.“ (es handelt sich um das nicht mehr auffindbare Büchlein „Blüthenfeld ....)
Zu seinem Büchlein „Vermischte Gedichte“ hat Oswald Hafner eine Vorrede geschrieben:
Vorrede.
Nie würde ich mich unterfangen haben, diese geringen Versuche der Presse zu übergeben, und sie den Augen der Welt darzulegen, wenn nicht geehrte und einsichtsvolle Männer mich hiezu aufgemuntert hätten. — Ganz schüchtern überreiche ich sie dem geehrten Leser; — denn ich genoss in meinen Jugendjahren fast gar keine Bildung, musste mich daher eigentlich nur selbst bilden, — und konnte auch auf dieser Bahn nicht ungehindert fortschreiten, indem ich mit Verrichtung der ärmlichsten Geschäfte meinen sparsamen Lebensunterhalt gewinnen musste. —Da her mag mir in dieser meiner geringen Poesie, (wenn ich sie so nennen darf), von der ich niemals geglaubt hätte, dass sie die Ehre haben würde, an‘s Licht zu treten, vielleicht manches Trockene übersehen, und manche Härte im Ausdrucke sowohl als im Ideengange mit Nachsicht beurtheilt werden. - Da jedes Werk seinen Zweck hat, und haben soll, so ist auch diesem Werkchen der seinige zum Grunde gelegt, welcher darin besteht, dass, bey denjenigen, bey welchen es Aufnahme findet, wenn sie in diesen Blättern verweilen, die religiösen Gefühle gegen die Größe des Allmächtigen höher gestimmt, und zum Danke und Ehrfurcht gegen seine unendliche Güte entflammt werden; da diese Gedichte sich blos damit befassen, die Herrlichkeit Gottes in und durch seine Werke zu schildern.
Dieses war meine Lieblingsbeschäftigung. Darüber fühlte ich in mir die größte Seligkeit, wenn ich in einsamer Stille, begeistert, nach dem Maaße meines Geistesvermögens, mich in Gedanken einwiegte, die der Spur der Güte des Ewigen und Mächtigen folgten. Und so glaube auch ich in der christlich-religiösen Weit viele und viele zu entdecken, die hierin dem Verfasser folgen. - Ist dieses so, woran ich nicht zweifle, und wird mein Werkchen unter diesem Zwecke eine gütige Aufnahme finden, so ist meine Absicht erreicht. — Möchte ich hiedurch bey Manchem religiöse Gefühle er— wecken, oder wenigstens nähren; möchte ich auch eine brauchbare Linie zu dem Baue darlegen, der auf der ewigen Stufenleiter der Dinge durch brauchbare Geschöpfe zur Vollkommenheit gedeihen soll! — In dieser Hoffnung gebe ich euch hin, ihr dem Herrn geweihte Blätter; verbreitet überall Gemeinsinn und Wahrheitsliebe! — Der Verfasser. OSWALD HAFNER

 

 

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