Gerade die Zeit nach dem 2. Weltkrieg hat zwei Länder
so tief zerschnitten, obwohl sie über Jahrhunderte hinweg eng verbunden
waren. Kaiser Karl IV., im 14. Jahrhundert ein Herrscher von europäischem
Format, bezeichnete gar seine Besitzungen in der Oberpfalz als “Neuböhmen”
und selbst die Gebiete um Neustadt an der Waldnaab wurden beinahe 250
Jahre von einem Fürstengeschlecht regiert, dass zu einem der
bedeutendsten böhmischen Adelsgeschlechter zu zählen war und ist: Die
Lobkowitzer.
Die Lobkowitzer traten in Neustadt an der Waldnaab und Waldthurn als
Lehensherrn auf und besitzen noch heute einen ausgezeichneten Namen als
ehemalige Herrscher.
Das aus dem böhmischen Uradel stammende Geschlecht der Lobkowitzer von
Chlumetz nutzte diese Besitzungen in der Oberpfalz und gleichzeitig dem
Deutschen Reichsgebiet, um später in den Reichsfürstenstand erhoben zu
werden. Dadurch kam diesen Städten und Dörfern, unmittelbar an der
böhmischen Grenze gelegen, höchste politische Bedeutung zu.
Der Ursprung des uralten tschechischen Hauses Lobkowitz verliert sich im
Dunkel der Vorzeit. Es erscheint erst am Anfang des 15. Jahrhunderts unter
dem Namen Lobkowitz, als sich Nikolaus von Ujezd, genannt Chudy (Arm),
nach der von seinem Vater erworbenen Burg Lobkovic nannte. Unter dem
Premysliden und den Luxemburgern war die Familie zu Ehren und Vermögen
gekommen und in den Reichsfreiherrnstand erhoben worden.
Nikolaus von Lobkowitz stieg zum Liebling König Wenzel IV. auf, der ihm
1418 die Burg Hassenstein verpfändete. Er starb 1435 als
Oberstlandschreiber des Königreiches Böhmen. Seine beiden Söhne,
Nikolaus II., der Ältere erhielt Hassenstein und Johann Popel Lobkovic.
Diese beiden sind somit die Urväter der Linien Lobkowitz Hassenstein und
Popel Lobkowitz.
Die Linie, die sich nach der Burg Hassenstein am Rande des Erzgebirges
nannte, verschwand im Laufe des 30jährigen Krieges. Die Linie Popel
teilte sich später wiederum in zwei Äste, von der mit Udalrich Felix
Popel Grafen von Lobkowitz im Jahre 1722 eine erlosch.
Während wie bereits ausgeführt für die eine Linie die Burg Hassenstein
bei Kaaden zum Stammsitz wurde, wählte die andere im späten 15.
Jahrhundert das Schloss zu Chlumetz im Taborer Kreis.
Kaiser Ferdinand gab Ladislaus II., dem Älteren (geboren 1501), das
Heidecksche Lehen Neustadt und Störnstein im Oktober 1562 als Lehen.
Somit kam Neustadt erstmals mit dem böhmischen Adelsgeschlecht in
Berührung. Zu dieser Zeit war Ladislaus II. Appelationspräsident und
oberster Hofmarschall des Königreiches Böhmen. Mit diesen Besitzungen,
die nicht im Königreich Böhmen lagen, konnte die Familie später
versuchen, Sitz und Stimme im immerwährenden Reichstag zu erhalten.
Ladislaus II. starb 1584 und sein Sohn Ladislaus IV., der Jüngere, trat
das Erbe an. Wie schon sein Vater hatte auch er hohe Ämter am Königshof
inne. Nachdem er 1621 verstarb und sein Sohn, Ladislaus-Jules noch
früher, trat das Erbe sein Bruder Zdenko Adalbert an.
Als Ahnherr der nun fürstlichen Linie gilt Zdenko Adalbert, der am 17.
August 1624 von Kaiser Ferdinand II. in den Reichsfürstenstand erhoben
wurde und 1628 starb. Zdenko Adalbert trat schon in jungen Jahren in die
Staatsverwaltung ein, wurde Reichshofrat und 1599 mit 31 Jahren oberster
Kanzler von Böhmen.
Obwohl er sich mit seiner tschechischen Herkunft in Wort und Schrift
identifizierte, stand er ganz auf der Seite der Habsburger Monarchie. In
seiner Eigenschaft als hoher Staatsbeamter musste er oftmals die Belange
des Reiches gegen die des aufbegehrenden böhmischen Adels verteidigen.
Aufgrund seiner Stellung und seines ausgezeichneten Wissens wurde er zu
Beginn des 30jährigen Krieges für drei Kaiser unentbehrlich. Aus diesem
Grund und der großen Verdienste seiner Familie wegen wurde ihm 1624 die
Fürstenwürde verliehen.
Zusammen mit Zdenko Adalbert muß auch dessen Ehe mit Polyxena von
Rosenberg, geborene von Pernstein, genannt werden. Durch sie kamen
wesentliche Besitzungen mit in die Ehe (u.a. Schloss Raudnitz und
Nelahozeves, das Palais Lobkowitz auf der Prager Burg und die Burg
Schreckenstein). Sie war es auch, die die böhmischen Adeligen nach dem
Prager Fenstersturz 1618 in ihr Haus rettete und pflegte. Außerdem steht
mit ihr die Verehrung des “Prager Jesuleins” in einem engen
Zusammenhang. Dieses bekam sie von ihrer Mutter bei ihrer ersten Heirat,
mit Wilhelm von Rosenberg, als Geschenk.
Aus der Ehe von Zdenko Adalbert und Polyxena ging ein Sohn hervor: Wenzel
Eusebius, geboren 1609. Er sollte zu den mächtigsten Positionen
aufsteigen, die je ein Lobkowitzer erreicht hatte.
Wenzel Eusebius erhielt eine sehr gute Erziehung, lernte spanisch und
italienisch und reiste viel in Europa umher. Während des 30jährigen
Krieges diente er unter Wallenstein und führte erfolgreiche Feldzüge.
Aufgrund seiner Erfolge und seines großen diplomatischen Geschicks wurde
er vom Oberst, über den Generalfeldmarschall bis hinauf zum Präsidenten
des Hofkriegsrates im Jahre 1652 befördert. Am österreichischen
Kaiserhof in Wien schätzte man seine zahlreichen Verbindungen und er
arbeitete sich zu einem bedeutenden Ratgeber empor.
Unter Kaiser Leopold I. stieg Wenzel Eusebius zum Ersten Geheimen Rat und
Stellvertreter des Kaisers auf. Der Kaiser vertraute dem böhmischen
Adelsmann mit seinen unverrückbaren Vorsätzen und seiner Loyalität. In
dieser Position hatte Wenzel Eusebius natürlich auch sehr viele Neider
und Gegenspieler. Intriegen aus Machtgier wurden gegen ihn geschmiedet und
1674 wurde er vom Hofe in Wien nach Raudnitz verwiesen. Dort starb er auch
1677.
Im Zusammenhang mit Wenzel Eusebius ist auch die zweite Ehe mit Augusta
Sophie, Pfalzgräfin von Sulzbach, im Jahre 1653 sehr wichtig. Der
30jährige Krieg endete 1648, doch waren die beiden Lager, katholisch und
evangelisch, noch lange nicht ausgesöhnt. Doch warum heiratete nun der am
Wiener Kaiserhof tätige Wenzel Eusebius, katholisch und kaisertreu,
ergeben und immer zu Diensten der Habsburger, eine Evangelische? In der
heutigen Zeit keine Sensation - doch vor 300 Jahren musste diese Heirat
andere, staatspolitische Gründe haben.
Augusta Sophie stammte nicht nur aus einem evangelischen Elternhaus,
sondern wurde noch dazu am Hofe des schwedischen Königs Gustav Adolf
erzogen. Er war schließlich der große Gegenspieler der katholischen
Seite. Und nun heiratet der Stellvertreter des Kaiser diese Frau. Es
müssen staatspolitische Überlegungen eine Rolle gespielt haben und
vielleicht wollte der Kaiser mit der Heirat von Wenzel Eusebius mit
Augusta Sophie auch ein Zeichen der Versöhnung setzen.
Die Ehefrau von Wenzel Eusebius wählte als Wohnort Neustadt an der
Waldnaab. Zum einen war sie dadurch nicht weit von ihrer Familie entfernt
und außerdem mußte sie nicht in die Dienste am Hofe der Kaiserin in Wien
treten. Augusta Sophie blieb ihrem protestantischen Glauben immer treu.
Sie richtete sich eine kleine Kapelle im Haus neben dem “Alten Schloss”
ein und wurde durch einen evangelischen Geistlichen aus Floß
seelsorgerisch betreut. Für den katholischen Geistlichen in Neustadt
stickte sie gar Messgewänder. Natürlich versuchte ihr Gatte sie vom “rechten
Glauben” zu überzeugen. Dabei wurden gar Jesuiten nach Neustadt
geschickt, um die Fürstin umzustimmen. Doch Augusta Sophie blieb dem
evangelischen Glauben treu und erzog ihre Kinder nach dem Willen ihres
Gatten katholisch.
Aufgrund der hohen politischen Ämter weilte Wenzel Eusebius sehr oft in
Wien und Prag. Nur selten kam er nach Neustadt um nach dem Rechten zu
sehen. Deshalb wurde Augusta Sophie zur eigentlichen Regentin von Neustadt
und Waldthurn. 1673 übergab ihr Wenzel Eusebius auch offiziell die
Regierungsgeschäfte. Nach dem Tod ihres Gatten 1677 blieb sie noch einige
Jahre in Neustadt, zog dann nach Nürnberg und verstarb dort 1682.
Nachfolger von Wenzel Eusebius wurde sein Sohn Ferdinand August Leopold,
geboren am 7. September 1655 in Neustadt. Er entschloss sich für einen
Schlossneubau in Neustadt, der auch 1698 begann. Leider zog sich im Jahre
1707 die fürstliche Familie aus Neustadt auf ihre böhmischen Güter
zurück. Der Neubau ging nur langsam voran und am Ende wurde nur ein
Flügel von den geplanten drei fertig gestellt. Ferdinand Leopold August
verstarb 1715 in Raudnitz und sein Sohn Phillip Hyacinth trat die
Nachfolge an.
Phillip Hyacinth heiratete mit 23 Jahren Eleonore Karoline, die letzte des
Geschlechtes aus dem Hause Lobkowitz-Bilin. Somit kamen noch weitere
beachtliche Güter zu den bereits vorhandenen hinzu. Die Ehe blieb
kinderlos, da ihr Sohn Ferdinand bei seiner Geburt 1704 verstarb. Auch die
Fürstin musste jung mit 35 Jahren 1720 sterben.
Die Komtesse Anna Maria Wilhelmine, Gräfin von Althan, war die zweite
Ehefrau von Phillip Hyacinth. Diese Ehe war mit sechs Kindern, darunter
auch der spätere Nachfolger des Fürstenhauses, Wenzel Ferdinand, mehr
gesegnet. Phillip Hyacinth verstarb mit 54 Jahren 1734 in Wien. Zu dieser
Zeit war sein Sohn Wenzel Ferdinand erst 11 Jahre alt. Somit musste seine
Mutter die Vormundschaft übernehmen. Bereits fünf Jahre später verstarb
auch er.
Die noch relativ junge Witwe blieb nicht lange allein und verehelichte
sich mit dem Grafen Joseph Gundacker zu Althan. Durch ihn kommt nun das
Palais Lobkowitz in Wien in den Besitz der Lobkowitzer.
Die Regentschaft im Fürstenhaus Lobkowitz übernimmt für den jung
verstorbenen Wenzel Ferdinand sein Bruder Ferdinand Phillip Joseph,
geboren am 27. April 1724. Unter Kaiserin Maria Theresia volljährig
geworden, bestimmt nun er, was von nun an geschieht. Auch seine
Besitzungen in der Oberpfalz besucht er öfter. Ferdinand Phillip Joseph
heiratet relativ spät mit 45 Jahren Maria Gabriele, Herzogin von
Savoyen-Carignan.
Mit 60 Jahren, als sein einziger Sohn Franz Joseph Maximilian gerade 12
Jahre alt war, starb er. Leider wurde nun der Abstand der Fürsten
Lobkowitz zu Neustadt und Waldthurn immer größer. Franz Joseph
Maximilian lebte in Wien und war ein großer Musikliebhaber. Er
unterstützte Ludwig van Beethoven finanziell bei seinem Aufenthalt in
Wien. Beethoven widmete dem Fürsten einige Kompositionen, unter ihnen
auch die “Eroica” und gar einen Liedkreis. Anfang Juni 1804 wurde die
dritte Symphonie, die Eroica, im Festsaal des Palais Lobkowitz in Wien
zweimal probeweise gespielt und mindestens einmal in privatem Rahmen
aufgeführt, also noch vor der öffentlichen Uraufführung 1805.
Natürlich war der Einfluss der Kaiserstadt Wien, einer der Mittelpunkte
der damaligen Welt, auch auf die Fürsten Lobkowitz sehr groß und ließ
sie auch nicht mehr los.
Mit dem Jahr 1806 endete die Herrschaft der Lobkowitzer in der Oberpfalz.
Fürst Franz Joseph Maximilian verkaufte 1807 die Herrschaft
Neustadt-Störnstein an das Königreich Bayern. Er starb im Alter von 44
Jahren im Dezember 1816. |