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Rede Mělník 250 Jahre am 13. September 2003 von Prinz Georg von Lobkowicz
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde, liebe Familie, ich darf Sie alle heute zu diesen Feierlichkeiten willkommen heißen, da Bettina, meine Frau, und ich Sie eingeladen haben, nicht nur die 250 Jahre der Familie Lobkowicz auf Schloss Mělník zu feiern, sondern auch die 250 Jahre unserer Lobkowiczer Weintradition. 250 Jahre sind nicht viel, wenn man sich die Geschichte der Welt und ihrer Zivilisation betrachtet, aber es ist ein bedeutender Jahrestag für die Geschichte einer Familie, Besitzer eines historischen Hauses wie Schloss Mělník in einer historischen Weinanbauregion, welche zu den historischen Wurzeln unserer großartigen Nation zurückreicht. Aber Geschichte beschränkt sich, obgleich sie illustriert und ausschmückt, auf Fakten und auf die Vermittlung tatsächlicher Begebenheiten. Die Würde von Geschichte liegt in der Wiedergabe von Ereignissen mit Wahrheit und Genauigkeit, sowie in der Darstellung von Menschen und ihrem Wirken in einer interessanten und lehrreichen Form. Das erste Element von Geschichte ist daher Wahrhaftigkeit. Geschichte ist weder Autobiographie, noch besteht sie aus einer undurchdachten Sammlung von Handlungen, Vorfällen und Daten. Sie nimmt nichts auf, was nicht wahr ist. Sie ist eine Komposition, eine Inszenierung, welche ein einheitliches Design besitzt, wie ein Werk der Bildhauerei oder der Malerei oder ein Haus wie Schloss Mělník und hält sich beständig ein großes Ziel oder Ergebnis vor Augen, nämlich die Geschichte unserer Zivilisation. Folglich kann man sagen, dass die Geschichte einer Zivilisation ein Epos tatsächlichen Lebens bildet. Das tatsächliche Leben jener, die hier auf Schloss Mělník gelebt haben, beginnend mit den Königinnen von Böhmen, von der Heiligen Ludmilla im 9. Jahrhundert und der Königin Eliška im 14. Jahrhundert bis zu Königin Barbara im 15. Jahrhundert, mit Ihren königlichen Söhnen und Ehemännern wie dem Heiligen Wenzel, Karl IV. und König Vladislav. Es sind auch die Leben meiner Lobkowiczer Vorfahren, Jiři Popel bereits am Ende des 16. Jahrhunderts und von 1753 an die Leben von August Antonin, Antonin Isidor, August Longin, mein Urgroßvater Jiři Kristian František, mein Großonkel Bedřich, sein Sohn, mein Onkel Jiři Kristian Vaclav, und, nach seinem Tode im Jahre 1932, das Leben meines geliebten Vaters Otakar Karel, der infolge vieler Geheimnisse der Geschichte imstande war, diesen prächtigen Besitz von Mělník während der Dauer eines Lebens zweimal zu verlieren und wiederzuerlangen. Alle diese Leben spiegeln sich in der Würde des heutigen historischen Jubiläums wieder. Shakespeare sagte einmal „Was früher war, wird wieder sein; was man früher getan hat, wird man wieder tun: und es gibt nichts Neues unter der Sonne.“ Dieser Spruch geht von dem Gedanken aus, dass die wesentlichen Charakterzüge der menschlichen Natur überall und zu allen Zeitaltern die gleichen sind, und insofern, als Geschichte die allgemeinen Eigenschaften und Neigungen der menschlichen Natur darstellt, lehrt sie durch Beispiel. Abgesehen von der Tatsache, dass die Lobkowiczer aus einem Ort namens Popelov in der Nähe des Dorfes Ujezd bei Česká Lípa stammen, muss es die Suche nach den wesentlichen Charakterzügen der menschlichen Natur gewesen sein, die meine Vorfahren dazu brachten, seit den frühen Tagen des 14. Jahrhunderts „Popel jsem a Popel budu“ (Übersetzung: „Asche bin ich und Asche werde ich sein.“) als das Leitmotiv des Bestehens meiner Familie zu wählen. Wie ein englischer Gelehrter gesagt hat, „Wenn die Welt eine Schule des Beispiels ist, dann sind die Meister dieser Schule Geschichte und Erfahrung...“ Über die Jahrhunderte hinweg hat unsere Familie versucht, ein Beispiel nicht nur im historischen Sinn abzugeben, sondern auch bezüglich ihres wahren Zweckes, nämlich als eine Veranschaulichung des allgemeinen Fortschritts der Gesellschaft im Wissen und in den Künsten, sowie der Veränderungen der Sitten und des Strebens der christlichen Menschheit. Es ist wahr, dass wir seit 250 Jahren Winzer sind, aber vor allem waren wir Geschäftsleute, Politiker, Minister, Botschafter, Generäle, Bischöfe und Kunstmäzene, die dem Staat dienten, der Kirche dienten, den Künsten dienten und vor allem unserer Nation und Europa dienten. Es gibt in der Geschichte einer Familie wie der unseren auch immer eine Unvollkommenheit und in dieser Hinsicht bin ich mir sicher, dass die Historiker sagen werden, dass es in der Geschichte keinen Bericht der Sitten und Gewohnheiten unseres sozialen und häuslichen Lebens gibt. Das kommerzielle Zeitalter, die Industrialisierung und die Institutionen der politischen demokratischen Freiheit im 19. Jahrhundert und in der Ersten Republik haben auch für unsere Familie große Veränderungen mit sich gebracht. Wir mussten lernen, nicht länger die Leitung des Staates inne zu haben, und wir mussten uns davon entfernen, Royalisten zu sein, und Demokraten werden, und vor allem mussten wir uns als tschechisch- europäische Familie an die nationalistische tschechoslowakische Republik gewöhnen. Für einige stellten sich die Veränderungen der Geschichte als schwierig dar, für andere waren die neu eröffneten Möglichkeiten riesig und Jiři Kristian Lobkowicz, mein Onkel, wurde zu einer der großen Legenden des tschechoslowakischen Autorennsports. Nach seinem Tode erbte mein Vater Mělník im Alter von zehn Jahren und wurde nach zwei politisch erzwungenen Emigrationen und der Samtenen Revolution schließlich im Jahre 1991 als der neue alte Besitzer wieder eingesetzt. Dies ist der Grund, warum wir heute auch als ein Symbol für die Geschichte des 20. Jahrhunderts das Lobkowicz-Wappen, welches meinem Vater Otokar Karel gewidmet ist, enthüllen. Er hatte immer geglaubt, dass sein Land eines Tages wieder Teil eines größeren Europas sein würde, wo die zwei Übel, unter denen er am meisten litt, nämlich der Nationalsozialismus und der Kommunismus, keinen Platz haben würden. Er war ein großer Tscheche, aber vor allem war er ein großer Europäer. „Daddy, lebe in Frieden und möge Gott Dich segnen“. Seit 1992 bin ich Erbe jener tausendjährigen historischen Tradition und bin glücklich eine Ehefrau und einen phantastischen Partner in der Leitung des Besitzes Mělník zu haben. Meine liebe Bettina, dieses Schloss, unser Haus seit 250 Jahren, wäre niemals das was es heute ist, ohne Deine Arbeit und Deine Hingabe unserer Familiengeschichte gegenüber, aber vor allem nicht ohne Dein Verständnis für die historisch einzigartige Aufgabe, weiterhin ein Beispiel des Kämpfergeistes für den allgemeinen Fortschritt in der Architektur und in den Künsten der Restaurierung und Innenausschmückung und Architektur abzugeben. Die in den vergangenen 10 Jahren vollbrachte Arbeit, deren Ergebnis man heute sehen kann, ist die Leistung eines engagierten professionellen Teams, welches Dich umgibt, von dem ich nur einige wenige nennen kann, wie Dr. Hoftichova und Herrn Špale. Aber ich möchte nicht das Lobkowiczer Bauteam unter dem Management von Herrn Štěpan Kirchner vergessen, mit unserem Maler Herrn Dolezal und unserem Bildner und Maurer Herrn Slansky. Ich möchte Ihnen allen für die prachtvolle, erreichte Arbeit danken, mit der Sie unserem Haus einen Glanz gegeben haben, den es während der letzten 250 Jahre vermutlich nie hatte. Ich möchte allerdings auch nicht die zwei wichtigsten Personen vergessen, ohne welche unser Familienunternehmen nach 250 Jahren nicht dort wäre, wo es heute ist, nämlich unser Wirtschafts- und Verwaltungsteam von Frau Turkovicova und Frau Cikankova und schließlich aber nicht zuletzt Herrn Hejduk, unserem Winzer, der in den letzten paar Jahren mit seinen Berufskenntnissen, Tüchtigkeit und Verantwortung neben meiner Frau Bettina die tausend Jahre währende Tradition des tschechischen Weinbaus in Mělník fortgesetzt hat. „Einen großen Dank an Sie und an alle Angestellten von Bettina und mir und einen großen Applaus für Sie alle!“ Meine Damen und Herren, ich möchte diese Bemerkungen zum 250-jährigen Jubiläum zum Abschluss bringen. Ich beende sie dort, wo ich sie vielleicht hätte beginnen sollen — nämlich mit einigen Worten zur gegenwärtigen Lage und zum Zustand unseres Landes und den Zukunftsaussichten, welche vor ihm liegen. Wir sehen ungeborenen Zeitaltern in Europa und der Welt und Visionen einer besseren tschechischen Geschichte entgegen, die Verwirklichung welcher jedoch in den Händen und im Wohlwollen unseres Allmächtigen Gottes liegt, aber unter Seinem göttlichen Segen wird es von dem Charakter und den Tugenden unserer Nachwelt und unserer selbst abhängen. Wenn wir und unsere Nachwelt jedoch religiöse Institutionen und Autorität zurückweisen, gegen die Regeln der ewigen Gerechtigkeit verstoßen, mit den Geboten der Moral leichtfertig umgehen und die politische demokratische Verfassung, welche uns zusammenhält, rücksichtslos zerstören, dann kann niemand voraussagen, wie schnell uns eine Katastrophe heimsuchen könnte, welche all unsere Herrlichkeit in profunder Finsternis begraben würde. Finsternis hatte unsere Nation im vergangenen Jahrhundert zweimal zu durchleben. Aber lassen Sie mich sagen, meine Damen und Herren, wenn wir und unsere Nachwelt wahrhaft mit unserer Geschichte umgehen, wenn wir und unsere Nachwelt stets in Ehrfurcht vor dem Herrn leben und Seine Gebote respektieren, wenn wir und unsere Nachwelt gerechte moralische Empfindungen und jene gewissenhaften Überzeugungen von Pflicht, welche das Herz und das Leben lenken, bewahren, dann dürfen wir uns die größten Hoffnungen für das zukünftige Geschick unseres Landes machen. Vielen Dank. Jiři Lobkowicz Schloss Mělník 13. September 2003 |
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