Hasištejn (Hassenstein)

Die Ruine Hassenstein

einstmals Heimat des bedeutenden Gelehrten

Bohuslaw von Hassenstein

Das Kronjuwel der Burgen des böhmischen Erzgebirges ist die Burg Hassenstein. Sie erhebt sich ungefähr zehn Minuten von dem Städtchen Platz auf einem steilen Urkalkfelsen, einem Ausläufer des Haßberges, 627 m über dem Meer. Von den Vorwerken der Burg ist außer einem 15 Meter hohen Turm nichts mehr zu sehen. Dieser sogenannte Marterturm steht an der Nordostseite, dort, wo der Burgfels mit der Platzer Höhe zusammenhängt, und deckte somit den schwächsten Teil der ganzen Burganlage. Er ist deshalb eigentümlich, weil er im Innern zwei Ecken, an der Außenseite aber nur eine gegen Westen gerichtete Kante bildet.
Von der Burg war dieses Vorwerk durch zwei tiefe Gräben getrennt, die aber heute fast ganz zugeschüttet sind. Über den ersten Graben führte die Zugbrücke zum ersten Burgtor. Die an dieses Tor sich anschließende Ringmauer ist längst zerfallen. Über den zweiten Graben bringt uns heute eine Holzbrücke zum zweiten Tor, das auch nur unvollständig erhalten ist, und wir betreten einen weiten geräumigen Burgplatz. Links vom zweiten Tor schließt sich die äußere Ringmauer an, die den Zwinger einschließt und durch drei Bastionen verstärkt war; rechts von ihm steht Heute eine schmucke Gastwirtschaft, die in traulichen Räumen den müden Wanderer zu froher Rast einlädt. Unter dem Burgplatz liegt ein mächtiges Gewölbe, das als Vorratskammer und als Pferdestall gedient haben mag. Durch ein drittes Tor betreten wir den inneren Burghof, in welchem rechts der Palas mit der Kapelle und einem malerischen runden Stiegenturm, dagegen links auf der höchsten Felsenkante der mächtige Berchfrit sich erhebt.
Die Kapelle gehörte zu den größten Burgkapellen überhaupt und ist heute noch durch ihre schönen Spitzbogen an der Altarseite als solche leicht erkennbar. Von den wahrscheinlich ehemaligen Dienerwohnungen, die sich in einem 19 Meter langen Gebäude links vom innersten Burgtor befanden, ist fast nur die dem Burgplatz zugekehrte Außenwand übrig. Dieses Gebäude schmückte wahrscheinlich ein zierlicher Erker, von dem nur noch ein mächtiger Karsten sich erhalten hat.
Auch die Hochburg hatte gewaltige Kelleranlagen, deren Eingänge sich links und rechts vom inneren Burgtore befinden. Das großartigste und am besten erhaltene Baudenkmal der Burg Hassenstein ist aber der 25 m hohe Berchfrit, der kühn sein Haupt in die Wolken erhebt. Eine bequeme Wendeltreppe führt heute zu seinen Zinnen empor, die in eine schöne Aussichtsgalerie umgewandelt wurde. Zwar ist die Aussicht gegen Norden und Westen beschränkt, denn trotzig liegt in einsamer Ruhe das Erzgebirge vor uns, und doch überwältigt auch dieses Bild durch seine Schweigsamkeit und Majestät jedes empfindsame Herz. Um so ausgedehnter ist der Blick nach Süden und Südosten. Da liegt in seiner ganzen Herrlichkeit vor uns ausgebreitet das Saazer Land - ein weiter, reicher Gottesgarten.
Hassenstein gehört zwar nicht zu den ältesten Burgen des Erzgebirges, doch lässt sich die Vermutung nicht abweisen, dass dieser Burgplatz zu den ältesten Kultstätten dieser Gegend zu rechnen ist. Kein Zweifel herrscht dagegen darüber, dass Hassenstein in den letzten Regierungsjahren des Königs Johann von Luxemburg erbaut wurde. In dem Entwurfe der ,,Majestas Karolina" erscheint Hassenstein unter jenen Burgen, die der König einer Königin-Witwe auf Lebenszeit, anderen Personen dagegen nur auf zehn Jahre sollte verpfänden können.
Als erster Herr auf Hassenstein wird am 14. April 1348 Friedrich von Schönburg genannt, der nebst seinen Brüdern Albrecht und Dittrich auch die benachbarten Lehensgüter Pürstein, Egerberg, Preßnitz, Kaaden, Brunnersdorf, Niklasdorf und Warta inne hatte. Als Friedrich 1364 starb, verpfändete Karl IV. den Hassenstein den Brüdern Hermann und Bernhard von Schönburg, von denen sich Bernhard am meisten auf der Burg aufhielt und schon 1351 als Mitbesitzer des Hassensteins erscheint. Als Wenzl IV. den böhmischen Thron bestieg, suchte Bernhard allein um die Belehnung mit dem Hassenstein an. Nach der Urkunde vom 7. Dezember 1367 gehörte zum „huse Hazzenstein“ die halbe Stadt ,“Bresnitz“, die Dörfer Zobentitz (Zobietitz), Geiswiz (Gaischwitz), Hohentann, Planstorff (Plaßdorf), Hainstorf (Hagensdorf?), Kurbicz (Groß-Körbitz), Kralob (Deutsch-Kralupp), Wienar (Weinern), Lobe (Flahae), Mericz (Meretitz) und das Lehen Henkistorff (Hagensdorf). - Bernhard starb um 1392 als reicher böhmischer Landesbaron und hinterließ drei Söhne: Friedrich, Hermann und Bernhard. 1394 wurde auch der Älteste, Friedrich, mit Hassenstein und dem Burgbanne belehnt. Da Friedrich von Schönburg sich mehrmals in Streitigkeiten mit dem Könige verwickelte, trat er Hassenstein um 1412 an seinen Schwager Heinrich von Plauen ab. Dieser war aber auch ein sehr streitlustiger Herr und trat sogar dem Raubritterbunde der gefürchteten Herrn Boresch von Riesenburg und Tista von Pfraumberg bei, wobei königliche Güter geplündert und verwüstet wurden. Da Heinrich zu einem Ausgleich nicht zu bewegen war, schritt der König zum Vollzug der Strafe und ließ Hassenstein belagern.
Nach langer tapferer Gegenwehr gelang es dem obersten Landschreiber Nikolaus Chudy von Lobkowitz, den Hassenstein zu erobern. Da eilte Heinrich von Plauen nach Prag, um vom Könige Gnade zu erflehen. Wenzl IV. aber ließ ihn auf dem Altstädter Rathause einkerkern. Erst der unerwartete Tod des Königs öffnete die Pforten seines Gefängnisses. Schon am 14. Mai 1418 verpfändete König Wenzl die Burg Hassenstein ihrem tapferen Eroberer Nikolaus von Lobkowitz um 4.000 Schock Prager Groschen. Nikolaus war der Sohn Mareschs von Aujedz hatte 1409 das Gut Lobkowitz käuflich an sich gebracht und nannte sich von da an Nikolaus de Lobkowitz. Er war von 1417 - 1421 oberster Landschreiber des Königreiches Böhmen, ein Liebling, ein Liebling König Sigismunds, und erwarb große Besitzungen, so die königlichen Burgen Pfraumberg und Brüx, das Bergschloß Fürchtenberg in Mähren und die Städte Mährisch-Schönberg, Platten und Komotau.
Sein Beiname Chudy = der Arme passte nicht im geringsten auf ihn, da er zu den mächtigsten und einflussreichsten Männern Böhmens zählte. Wegen seiner Verdienste in den Hussitenkriegen wurde er von seinem dankbaren König öffentlich mit dem Schwerte des Heiligen Wenzl zum Ritter geschlagen und später in den Freiherrnstand erhoben. Als der tapfere Krieger und erfolgreiche Diplomat 1435 starb, hinterließ er zwei Söhne, Nikolaus II. und Johann Popel von Lobkowitz. Diese teilten am 26. Mai 1440 ihre reiche väterliche Erbschaft und legten den Grund zu den zwei Hauptlinien, der freiherrlichen Hassensteiner und der späteren fürstlichen Linie der Popel von  Lobkowitz, die als eines der reichsten und ältesten Adelsgeschlechter in Böhmen bis zur Austreibung lebten, während die Hassensteiner Linie infolge ihres Übertritts zur lutherischen Lehre zu Beginn des 30jährigen Krieges Böhmen verlasen musste und nun als bürgerliche Linie in Deutschland sich reich ausbreitet.
Durch die Teilung im Jahre 1440 bekam Hassenstein Nikolaus II. Auch er war ein sehr tapferer Herr und verteidigte 1449 den Hassenstein, als die Burg von dem utraquistischen Herrenbunde angegriffen wurde, mit dem größten Erfolge. Nikolaus II. brachte die königliche Stadt Kaaden in seinen Pfandbesitz und vermehrte dadurch die Macht der Hassensteiner Burgherren beträchtlich. Nikolaus, obwohl anfänglich ein Gegner Georgs von Podiebrad, wählte diesen am Georgilandtag 1452 mit zum Gubernator des Landes und blieb seither sein treuer Anhänger. Auch um die Einführung des Franziskanerordens in Böhmen machte sich Nikolaus II. verdient, hatte Johann Capistrano längere Zeit auf Hassenstein zu Gaste und ließ ihn in der ganzen Gegend predigen.
Als er 1462 starb, hinterließ er vier Söhne: Johann, Niklas II., Jaroslaw I. und Bohuslaw. Die Brüder blieben anfänglich im gemeinschaftlichen Besitz der väterlichen Güter, deren Verwaltung bis zur Teilung im Jahre 1490 Johann mit kräftiger Hand führte. Auch er musste sich wegen seiner Anhänglichkeit an Georg von Podiebrad zahlreicher Feinde erwehren. Schon 1478 kam es zu einer Güterteilung, über die wir aber nicht genügend unterrichtet sind. Johann widmete, wie sein Vater, den Franziskanern in Kaaden die größte Aufmerksamkeit, erweiterte 1483 das Kloster und wurde seither als der Stifter desselben angesehen.
Als Jaroslaw I. starb, kam es zwischen den drei überlebenden Brüdern zur landtäflichen Teilung, wobei das Stammschloss Hassenstein allen dreien gemeinsam verblieb. Johann erhielt Obrzistwi, wo er auch seinen Wohnsitz aufschlug, die Teildörfer Ulhoschticz (?) und Weitentrebetitsch, vom Hassensteiner Burgbann die Dörfer Hohentann und Plaßdorf, das Teildorf Reitschowes mit Kirchenpatronat, einen Zinshof in Okenau, die Schutzherrschaft über das Kloster in Teinitz, die Collatur über den St.-Urbani-Altar in der Prager Domkirche, das Lehen in Pruß und die Hauptmannschaft Kaaden. - Nikolaus III. erhielt vom Hassensteiner Burgbann das Städtchen Preßnitz, die Dörfer Radschitz, Malkau, Sosau, Srni (?), Gaischwitz, Zobietitz, Schönbach, Wohlau, Zieberle, Triebischel, die Teildörfer Tomitschan, Meretitz und Brunnersdorf, das Städtchen Eidlitz, das er zum Stammsitz erwählte, die Dörfer Deutschtrebetitsch und Pninowitz (?) und das Teildorf Wedruschitz. - Bohuslaw empfing vom Hassensteiner Burgbanne das Städtchen Kralupp, die Dörfer Retschitz (teilweise), Maschau, Sosau (teilweise), Laucha, Ahrendorf, Radis, Reischdorf, Dörnsdorf und Körbitz; dann das Städtchen Priesen, die Dörfer Wikletitz, Schünau, Kudenitz, das Teildorf Drohnitz und die Mühle in Dehlau. Zu seinem Wohnsitz wählte er den Hassenstein.
Von allen Besitzern, die Hassenstein aufzuweisen hatte, war Bohuslaw der berühmteste. Er gehörte zu den gelehrtesten Männern seiner Zeit. Im Jahre 1460 auf Hassenstein geboren, studierte er in Bologna und Ferrara eifrig die Rechte, erwarb in Bologna die Doktorwürde und erregte schon in seiner Jugend durch sein Talent das größte Aufsehen.
Von der Sehnsucht getrieben, sich in das Studium des klassischen Altertums zu vertiefen, unternahm er weite Reisen nach Griechenland, Palästina und Ägypten und wurde deshalb der böhmische Ulysses genannt. Auch er wollte seine ausgebreiteten Kenntnisse dem Staate widmen, eilte an das Hoflager König Wladislaws, und obwohl seine Vorschläge durch seine Ernennung zum Kabinettssekretär anerkannt wurden, vermochte er sie durch den Widerstand neidischer Gegner nicht in die Tat umzusetzen. So legte denn Bohuslaw seine Stelle nieder, verließ das Hoflager und lebte auf seiner Burg Hassenstein ein einsames Leben, ganz der Gelehrsamkeit, der Dichtung und der Bewirtschaftung seiner Güter hingegeben. Alle ihm zugänglichen Bücher und Handschriften kaufte er unter Aufwendung größter Mühe und beträchtlicher Summen Geldes zusammen und gründete die berühmte Lobkowitzsche Familienbibliothek, von der sich im Raudnitzer Schlosse noch ansehnliche Reste aus seiner Zeit erhalten haben.
Trotz der Eingezogenheit seines Lebenswandels drang sein Ruhm in die Lande, und zweimal wurde er vom Domkapitel in Olmütz als der wichtigste Mann zum Bischof gewählt. Seine Wahl wurde aber vom Papste niemals bestätigt, obwohl sie Kaiser Friedrich III. wie auch König Wladislaw II. aufs angelegentlichste empfohlen hatten. Bohuslaws Freunde waren die gelehrtesten Männer ihrer Zeit, und ein reger Briefwechsel verband die räumlich oft weit entfernten Geister. Außer mit der Antike, mit Astronomie, Naturgeschichte und Mechanik und seinen im besten Latein geschriebenen zahlreichen Gedichten befasste er sich auch mit der Geschichte seiner Heimat. Leider ist uns aber diese Chronik verlorengegangen. An einem grauen Novembertag 1510 starb Bohuslaw und wurde in der Familiengruft in Preßnitz bestattet. Der Weltweise auf dem Hassenstein hatte zwar noch zu Lebzeiten eine Fülle des Ruhmes genossen, aber seinen Werken wurde erst lange Zeit nach seinem Tode ihre volle Würdigung zuteil, und heute bezeichnet nicht einmal ein Denkstein den Ort, wo der bedeutendste Dichter, Gelehrte und Humanist unserer Heimat im letzten ewigen Schlafe ruht.
Da der große Hassensteiner unverheiratet geblieben war, fielen seine Güter größtenteils an seine Neffen Nikolaus IV. und Sigmund. Sigmund war auch der geistige Erbe Bohuslaws und wurde Rektor der Universität in Wittenberg. Durch ihn wurde der Übertritt der Hassensteiner zum Protestantismus vorbereitet. Unter den folgenden Herren der Burg wären noch Sebastian und Bohuslaw Felix zu nennen, die sich um den Bergbau des Erzgebirges die größten Verdienste erwarben. Bohuslaw Felix erhielt sogar als erster 1559 das Privilep, im Saazer, Leitmeritzer und Schlaner Kreis auf Kohlen zu graben und wird „der Erfinder der Steinkohle in Böhmen" genannt. Der letzte Hassensteiner, der einen Anteil an der Burg hatte, war Christoph II. Ein großer Teil der alten Herrschaft war um 1600 in den Händen der Krone. Im Jahre 1606 verkaufte Kaiser Rudolf II. das Lehensschloß Hassenstein dem Leonhard Stampach von Stampach, der 1609 auch den letzten Anteil Christoph II. von Hassenstein an sich brachte.
Nach den Tagen des Glanzes und des Ruhmes kamen jetzt für Hassenstein die Tage des Niederganges und des Verfalles. Da die Stampachs schon längst protestantisch waren und sich am böhmischen Aufstand beteiligt hatten, traf auch sie zu Beginn des 30jährigen Krieges das Los der Auswanderung. Leonhard Stampach wurde 1622 seiner Güter für verlustig erklärt, und Hassenstein ging im nächsten Jahre in die Hände des mächtigen Jaroslaw Borzita von Martinitz über. Schon im Konfiskationsbekenntnis wird Hassenstein als ein ,,wüstes“ Schloss bezeichnet. Dass auch die Schweden an dem weiteren Verfall der Burg nicht unbeteiligt waren, ist selbstverständlich. Hassenstein gehörte in der Folgezeit immer zur Herrschaft Brunnersdorf und befand sich bis 1791 in dem Besitz der Martinitz. Die nächsten Besitzer des Hassensteins waren Gräfin Marianne Althan (bis 1810), Maria Anna, Gräfin von und zu Firmian (bis 1840), Karl Graf Wolkenstein-Trostburg (bis 1880) und Franz Preidl, Edler von Hassenbrunn (bis 1889). Der Neffe und Erbe des Edlen von Hassenbrunn, Großindustrieller Emanuel Karsch, ließ unter beträchtlichem Kostenaufwand die Burg in den Jahren 1891/92 renovieren und schuf sich durch die Erhaltung dieser schönsten Ruine des Erzgebirges ein unzerstörbares Denkmal in den Herzen aller Heimatwanderer, denen der Hassenstein zum alljährlichen Wanderziel wurde.

Die Burgruine Hassenstein an den Südhängen des Erzgebirges kann zu den üblichen Zeiten besichtigt werden. Bei einem Rundgang ohne Führer entdeckt der Besucher selbst die großzügige Anlage. 
Einiges von der alten Bausubstanz ist noch erhalten, vieles aber leider schon verfallen. Dennoch wird deutlich, welch mächtige Burg hier einst gestanden hat. Auch Wolfgang von Goethe gehörte zu den Besuchern bei seinen Aufenthalten in Böhmen. Er rühmte dabei auch den großen Gelehrten Bohuslav von Hassenstein.
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