Festvortrag Georg Schmidbauer
Vorstellung Genealogie Familie Lobkowitz

 

Buchpräsentation Neustadt 8.11.2007
Im Leben eines Menschen gibt es einerseits Glückstage, die im Gedächtnis haften bleiben, wie z.B. der Geburtstag, Erstkommunion oder der Hochzeitstag. Andererseits gibt es aber auch Daten, an die man sich weniger gerne erinnert.
Nicht anders verhält es sich in der Geschichte eines Ortes oder eines Landes: Glückliche Tage in Frieden und bescheidenem Wohlstand wechseln sich ab mit Zeiten von Krieg, Krankheiten u.ä.
Ein solcher Glückstag war für die Herrschaft Sternstein-Neustadt der 4.10.1562: An diesem Tag wurde sie von Kaiser Ferdinand Ladislaus II., dem Älteren, als Lehen zunächst auf 10 Jahre verliehen, ging aber bereits 1675 als freies und erbliches Eigentum in den Besitz der Lobkowitzer über. Das gleiche günstige Geschick erfuhr die Reichsherrschaft Waldthurn am 17. Mai 1666: Zur Abrundung ihres Besitzes in der Oberpfalz kaufte Fürst Wenzel Eusebius die nach dem Aussterben der Wirsberger vakant gewordene Herrschaft, aus welchen Motiven heraus, darüber wurde schon vielfach spekuliert.
Mit diesen beiden Daten begann nun für Sternstein-Neustadt und Waldthurn eine Zeit, die als das „goldene Zeitalter“ in die Annalen eingegangen ist. Denn die Fürsten von Lobkowitz waren nicht nur Landesherren, sondern in bestem Sinne auch Landesväter. Ein Beispiel soll dies erhellen: Anlässlich des Großbrandes von Waldthurn 1776 erlässt Fürst Ferdinand Philipp Joseph zahlreiche Instruktionen, wie seinen „armen Kindlein“ - so nennt er die Brandleider - am besten zu helfen sei und dass ihnen nur jede erdenkliche Hilfe angedeihen solle. Welch ein Unterschied zu den meisten Herrschern dieser Zeit, die vielfach sogar ihre eigenen Landeskinder als Soldaten verkauften, um sich ein luxuriöses Leben zu ermöglichen.
Was aber machte nun die Herrschaft dieser böhmischen Adelsfamilie so segensreich, dass man sogar den Spruch prägte: „Wenn einer vom Himmel fällt und er fällt ins Waldthurner Ländchen, so hat er nichts eingebüßt?“
Die Herren von Lobkowitz führten in ihren Gebieten eine wohlgeordnete Verwaltung ein, so gab es in Waldthurn an der Spitze den Amtsrichter als oberste Verwaltungs- und Justizinstanz, ein Zollamt, eine Rentkammer, also ein Finanzamt und ein Forstamt mit 5 Dienststellen. Durch die zahlreichen Beamten, Schreiber und Bediensteten blühten in Neustadt und Waldthurn Handel und Gewerbe. Die steuerliche Belastung war sehr gering. Für die Sicherheit sorgten die Amtsknechte und die Hochfürstlich Lobkowitzische Grenadiergarde. Durch den Bau von Glas- und Pechhütten sowie anderen Werken wurde die Wirtschaft gefördert. Der Fürst sorgte sich um die Landwirtschaft: Die herrschaftlichen Meierhöfe gaben als Musterhöfe Anregungen und Hilfen für effektive Bodenbearbeitung; so erließ der Fürst Instruktionen über die richtige Mistdüngung oder über die Vorteile des Kleeanbaus. Der Bergbau wurde gefördert, z.B. der Schmirgelabbau in Ottenrieth und Woppenrieth oder die Suche nach Gold im Lehengut Ahornburg (siehe Goldbach). Die ausgedehnten herrschaftlichen Waldungen, vor allem rings um den Fahrenberg und zur böhmischen Grenze wurden in mustergültigem Zustand gehalten. Die Lobkowitzer waren als erzkatholische Familie große Wohltäter der Kirchen, sei es bei Baumaßnahmen oder durch Stiftung von Wochenmessen, des Ewigen Lichtes, von Paramenten oder Votivgaben. Zur sinnvollen Verwaltung des Kirchenvermögens wurden Kirchenkommissionen, also Kirchenverwaltungen installiert. Auch die Schulbildung der Kinder lag ihnen sehr am Herzen: Eine Schulkommission wurde eingesetzt und erließ genaue Vorschriften für die Schullehrer, die Schulkinder und auch für die Eltern.
Und dann kam das Datum, das noch Jahrzehnte später den Menschen in schlechter Erinnerung war, nämlich der 6. November 1807. Bayern war 1806 Königreich von Napoleons Gnaden geworden, und der Minister Montgelas wollte einen Einheitsstaat formen. Das bedeutete das Ende der Reichsstädte, der geistlichen Herrschaften und der kleinen weltlichen Herrschaften. So verlor der Fürst von Lobkowitz in diesem Jahr die Souveränitätsrechte in Neustadt und Waldthurn, was letztlich dann dazu führte, dass er die beiden Gebiete um die Kaufsumme von 700 000 fl an Bayern verkaufte. Dieser Verkauf wurde am 6. November 1807 beurkundet, und die Bevölkerung war sich bewusst, dass nun die gute Zeit vorbei war. Noch Jahrzehnte später sprach man von dem „goldenen Zeitalter“, als das die Regierungszeit der Lobkowitzer in die Geschichte einging.
Was erinnert noch an dieses Herrschergeschlecht? Bernhard Knauer und Reinhold Zapf haben• dies 1999 in einem Büchlein, betitelt „Auf den Spuren der Lobkowitzer“ sehr anschaulich dargestellt. Natürlich die Schlösser in Neustadt und Waldthurn, natürlich die Kirchen, in denen das fürstliche Wappen angebracht ist wie auf dem Fahrenberg, St. Felix, Stadtpfarrkirche Neustadt oder St. Quirin, aber auch die Straßennamen in Neustadt, Altenstadt und Waldthurn. Vor allem aber ist es der Aktivität der Kulturfreunde Lobkowitz mit ihrem rührigen Sprecher Bernhard Knauer zu verdanken, dass das Andenken an diese milden Herrscher - wie sie Michael Rath betitelt - lebendig bleibt. Und natürlich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs die gegenseitigen Besuche und Kontakte mit der fürstlichen Familie.
Doch wer waren sie nun eigentlich, diese Lobkowitzer? Gewiss ein reiches und hoch angesehenes böhmisches Adelsgeschlecht, dessen Name mit Neustadt, Störnstein und Waldthurn untrennbar verbunden ist. Und wer waren nun die Herrscher aus dieser Familie, die für uns so große Bedeutung hatten? Dieser Frage wurde schon vielfach nachgegangen, so von Hans May in seinem 1904 erschienen Buch „Der Fahrenberg“ oder von den Neustädtern Chronisten Piehler und Ascherl. Doch was bisher noch fehlte, ist eine lückenlose Genealogie aller Herrscher der Linie Popel - Lobkowitz. Bernhard Knauer hat nun in mühseliger, akribischer Kleinarbeit sich dieser Thematik angenommen und genau zum 200-jährigen Jubiläum des Verkaufs ein Büchlein herausgebracht, das vorzustellen ich heute die Ehre habe. Das in handlichem Querformat angelegte Büchlein mit dem Titel „Die fürstliche Familie Lobkowitz von einst bis jetzt“ besticht schon durch die Titelseite: Über und unter dem fürstlichen Wappen befinden sich Portraits von bedeutenden Herrschern und ihren Gattinnen. Ein sehr übersichtliches Inhaltsverzeichnis gibt einen anschaulichen Überblick und eine gute Orientierungshilfe. Auf den Seiten 5 und 6 wird das fürstliche Wappen mit seinen 6 Feldern und den 4 Helmen vorgestellt und erklärt. Den Herren von Lobkowitz als einem böhmischen Adelsgeschlecht von großer Bedeutung für die nördliche Oberpfalz ist das nächste Kapitel gewidmet. „Mitglieder dieser Familie saßen über Jahrhunderte hinweg an den mächtigsten Schalthebeln des Königreiches Böhmen und des Habsburgerreiches, übten Macht aus und hatten großen Einfluss bei Königen und Kaisern. Mit Zdenko Adalbert und Wenzel Eusebius stiegen zwei Familienmitglieder in die höchsten Ämter auf“, betont Knauer. Er begründet die Beschränkung auf die Linie Popel Chlumetz, erläutert die verschiedenen Schreibweisen und den Wahlspruch des fürstlichen Hauses: Popel jsem a popel budu und geht dann kurz auf die Rückkehr der Lobkowitzer in die alte Heimat ein.
Mit Martin von Ujezd, der bereits um 1390 als Besitzer der Feste Oristwy genannt wird, beginnt die Geschichte der lobkowitzischen Linie Popel. Schon mit seinem Sohn Nikolaus 1. begann ein rasanter Aufstieg der Familie: König Wenzel ernannte ihn 1401 zum Obersten Bergschreiber und Oberaufseher aller Gold- und Silberbergwerke im Königreich Böhmen. 1409 erwarb er Dorf und Festung Lobkovice, 12 km südlich von Melnik, und seit 1410 nannte er sich von Lobkowitz. Er kann als der eigentliche Stammvater des Hauses Lobkowitz angesehen werden. Weitere wichtige Erwerbungen waren die Burgen von Hassenstein und Frauenberg.
Weitere wichtige Erwerbungen waren die Burgen Hassenstein und Frauenberg. Sein Sohn Nikolaus II. ist der Begründer der Linie Hassenstein Lobkowitz, während sein Bruder Johann Popel der Ahnherr der Linie Popel Lobkowitz ist. 1459 wurden beide in den Reichsfreiherrenstand erhoben.
Ladislaus Popel II., der Ältere, bekleidete bereits in jungen Jahren wichtige Ämter. So war er königlicher Rat und Kämmerer, kaiserlicher Hofmarschall, Burggraf, Oberstlandmarschall von Böhmen und geheimer Rat. Er erweiterte den Familienbesitz ganz bedeutsam, und unter ihm kam auch die Herrschaft Sternstein-Neustadt an sein Haus, zuerst als Lehen auf 10 Jahre, dann als Eigentum, Von den Nachfolgern stellt Knauer zwei als besonders bedeutsam heraus. Das war zum einen Zdenko Adalbert. Fast 30 Jahre lang war er Oberster Kanzler von Böhmen. Der gebildete und weit gereiste Herr unternahm im Auftrag des Kaisers wichtige Missionen, z.B. die Vorbereitung des Reichstages zu Regensburg. Durch die Ehe mit Polyxena von Pernstein kamen wichtige Besitzungen an die Lobkowitzer, so das Schloss Raudnitz. 1624 erreichte er die Erhebung in den Reichsfürstenstand.
Zum Anderen war es sein einziger Sohn Wenzel Eusebius: Er erhielt eine gute Erziehung, reiste viel und tat sich als Heerführer hervor, was ihm die Erhebung zum Generalfeldmarschall und Präsidenten des Hofkriegsrates einbrachte. Mit der Erhebung der Herrschaft Sternstein-Neustadt zur gefürsteten Grafschaft und dem Erwerb der Reichsherrschaft Waldthurn stand einer dauerhaften und erblichen Erhebung in den Reichsfürstenstand nichts mehr im Wege. Als Obersthofmeister wurde er leitender Minister und Stellvertreter des Kaisers. Wegen angeblichen Hochverrats wurde er gestürzt und nach Raudnitz verbannt. Wegen seiner wichtigen Ämter in Wien führte seine Frau Augusta Sophia die Regierung in Neustadt und Waldthurn. Dort ließ sie das neue Schloss errichten.
Auch der Nachfolger Ferdinand August bekleidete wichtige Ämter. Für Neustadt ist er bedeutend durch den Bau des neuen Schlosses. Er verbot den Juden die weitere Ansiedlung in Neustadt, so dass diese nach Floss zogen.
Bernhard Knauer vergisst auch nicht, die kulturellen Leistungen der Lobkowitzer darzustellen, so z.B. durch die Förderung der Komponisten Gluck und Beethoven, der 1823 eine eigene „Lobkowitz-Kantate“ komponierte.
Unter Fürst Franz Joseph Maximilian erfolgte 1806 der schon erwähnte Verkauf der beiden Herrschaften an das neue Königreich Bayern und damit das Ende der lobkowitzischen Ära in Bayern.
Schlimme Zeiten für die fürstliche Familie waren die Zeit des Nationalsozialismus und der kommunistischen Herrschaft, die zur Enteignung und Beschlagnahme des Besitzes. Fürst Jaroslav musste als Straßenarbeiter schuften, um seine Familie ernähren zu können.
Im letzten Kapitel des Buches, betitelt „Willkommen in der alten Heimat“ schildert Knauer die Rückgabe des Besitzes nach der „samtenen Revolution“ und die Rückkehr der weit verzweigten Familie Lobkowitz nach Böhmen sowie die vielfältigen Verbindungen, die seitdem - vor allem auch durch die Lobkowitzfreunde Neustadt - geknüpft wurden.

Was macht nun das Büchlein so wertvoll und interessant? Zum einen sind die Namen der Herrscher lückenlos erfasst mit Titeln, Ehefrauen und Kindern, was allein schon eine große Leistung darstellt. Doch was sind Namen ohne Gesichter, um mit Knauer zu fragen. In Museen, alten Büchern, Bibliotheken und Archiven suchte er nach Portraits der Herrscher und ihren Frauen. Natürlich kamen einige Male auch glückliche Umstände dazu sowie gute Beziehungen ins Nachbarland, so dass bis zu Ladislaus Popel 1 (gest. 1505) die Bildergalerie erstellt werden konnte. Beeindruckend sind auch viele bislang unbekannte Bilder von Burgen und Schlössern der Familie.

Abschließend ist festzustellen: Mit dieser Genealogie, die es in dieser Art zum Hause Lobkowitz noch nie gegeben hat, ist ein kleines, aber sehr lesenswertes Buch entstanden. Bernhard Knauer und seinen Mitstreitern ist in akribischer Kleinarbeit und mit unendlichem Fleiß ein Werk gelungen, zu dem man nur beglückwünschen kann und dem man eine weite Verbreitung wünscht.

Und vielleicht kann es auch dazu beitragen, den Wunsch von Bernhard Knauer, den er mir im letzten Brief mitgeteilt hat, zu verwirklichen: „Diese Verbundenheit der ehemaligen Herrschaft sollten wir beibehalten und ausbauen.“

Ich wünsche Ihnen allen beim Lesen so viel Freunde wie ich sie gehabt habe.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

   
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